Kurzfristig kann das angezeigte Körpergewicht auf der Waage sehr stark schwanken. Tägliche Gewichtsschwankungen von 1-2 kg treiben dabei gerne den Stresslevel in die Höhe, wenn es in die entgegengesetzte Richtung der eigenen Zielsetzung geht. Motivation und Laune sinken und das eigene Vorgehen wird eventuell sogar komplett in Frage gestellt. Ist das wirklich nötig? In diesem Beitrag werden die Faktoren für kurzfristige Gewichtsschwankungen besprochen – und worauf es ankommt, will man den eigenen Fortschritt wirklich nachvollziehbar machen.
Egal ob beim Ziel Muskelaufbau in der sogenannten „Aufbauphase“ oder wenn Fettabbau, also eine Gewichtsreduktion das Ziel ist: Das angezeigte Körpergewicht auf der Waage ist die einfachste und für viele objektivste Messvariable um den Fortschritt zu messen. Mittel- und langfristig ist es selbstredend unerlässlich, das Körpergewicht zu messen und die Entwicklungsschritte anhand dieses Parameters zu dokumentieren. Doch reicht das auch als alleiniger Indikator aus? Nein! Denn das Problem beim Wiegen ist: Kurzfristig kann das Körpergewicht auf der Waage von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden – diese Gewichtsschwankungen sind aber nicht unbedingt mit einer tatsächlichen Veränderung der Körperzusammensetzung (Fett, Muskeln, Knochen, etc.) verbunden.
Warum die Waage problematisch sein kann
Nicht selten durfte ich Klienten aus einem Tief befreien, weil das Gewicht für eine Woche stagnierte oder die Waage an einem Morgen sogar 200g mehr angezeigt hat, obwohl doch gestern alles richtig gemacht wurde. Dieser mentale, selbst erzeugte Stress wirkt sich dann negativ auf das Erreichen der Ziele aus. Wer sich gar nur auf das Körpergewicht verlässt (und ohne Coach oder kompetente Betreuung seine Ziele verfolgt) verfällt vielleicht sogar in Panik und ändert sofort die Strategie, um den Zielen näher zu kommen. Noch mehr oder weniger Essen, noch mehr trainieren… und das eigene Vorgehen wird durch ständiges Ändern nicht mehr nachvollziehbar und korrekt messbar. Durch dieses „Schlangenlinienfahren“ verstärken sich die Gewichtsschwankungen nur weiter und die Ziele rücken schlussendlich gar nicht näher. Das alles ist aber überhaupt nicht nötig, wenn man beim Wiegen und Gewicht Tracken eine bestimmte Herangehensweise wählt und diese mit weiteren Indikatoren in ein Gesamtkonstrukt bringt. Denn es gibt viele verschiedene Ursachen für kurzfristige Gewichtsschwankungen, welche uns aber nicht aus unserem Konzept bringen dürfen.
Gewichtsschwankungen – Warum schwankt das Gewicht auf der Waage?
1. Flüssigkeitshaushalt - Wassereinlagerungen und Co
Der Flüssigkeitshaushalt des Menschen ist zwar sehr stabil, gleichzeitig wirken sich aber kleine Veränderungen bereits auf der Waage aus, einfach durch die schiere Größe unserer Wasserspeicher. Denn der Mensch besteht zu 60-70% aus Wasser – weit mehr als Muskeln oder Fett! Logischerweise haben Trink- und Essensmenge (auch feste Lebensmittel bestehen zu einem Großteil aus Wasser) sowie die Schwitzrate am Vortag und in der Nacht (alleine hier sind es 500 ml im Schnitt) einen Einfluss auf das angezeigte Gewicht am nächsten Morgen. Kurzfristige Wassereinlagerungen im Körper, beispielsweise durch eine salzhaltige Mahlzeit am Abend vorher (nach jeder Pizza 1-2 Kg bei mir) oder hormonelle Veränderungen, etwa während der zweiten Zyklushälfte bei Frauen (auch hier sind 1-2 Kg normal), können Gewichtsschwankungen verursachen und das Gewicht vorübergehend erhöhen. [1][2]
2. Die Fettabnahme verläuft nie linear
Wissenschaftlich ist diese Theorie zwar nicht eindeutig bestätigt, klar ist jedoch aus der Praxis, dass der Fettabbau nie linear verläuft, sondern immer wellenförmig – daher sind Gewichtsschwankungen etwas völlig normales auch in einer Diät! Der „Whoosh-Effekt“ beschreibt das Verhalten einer Fettzelle im Falle eines längerfristigen Kaloriendefizits. Zunächst ist diese noch prall gefüllt mit Fett, welches dann nach und nach aus der Zelle geholt und für die Energiebereitstellung verwendet wird. Damit die Zelle Ihre Form beibehalten kann, wird die Spannung über Wasser aufrechterhalten. Erst nachdem alles Fett herausgelöst wurde (und evtl. nochmal eine Nacht darüber geschlafen wurde) kommt es zum Zerfall der Fettzelle – und schon sind 2 kg über Nacht geschmolzen, nachdem zuvor 1 Woche lang das Gewicht stagnierte. [3]
3. Veränderung des Ernährungsverhalten
Ändern sich unsere Ernährungsgewohnheiten kurzfristig, kann dies einen großen Einfluss auf das Körpergewicht haben. Neben einer veränderten Salzaufnahme, wie im vorherigen Punkt besprochen, können Gewichtsschwankungen auch durch eine Veränderung der Kohlenhydrataufnahme ausgelöst werden. Denn Kohlenhydrate binden Wasser im Körper, 1g Kohlenhydrate bindet ca. 3g Wasser. Werden also keine Kohlenhydrate konsumiert, leeren sich die Glykogenspeicher in der Leber und der Muskulatur nach ca. 1-2 Tagen und wir haben 1,5 – 2kg weniger auf der Waage! Dies ist übrigens auch der Grund für den schnellen initialen Gewichtsverlust bei einer Low Carb Ernährung – kein Fetttverlust, sondern geleerte Glykogenspeicher. [4] Auch eine proentzündliche Ernährung (Frittiertes, viel verarbeitete Produkte) kann zu Wassereinlagerungen und somit erhöhtem Gewicht führen, ebenso wie eine Veränderung der Ballaststoffmenge, welche Wasser im Darm binden. Diese Faktoren sind nie zu 100% identisch zum Vortag und können gerne ein paar hundert Gramm ausmachen.
4. Tägliche Gewichtsschwankungen aufgrund von Darminhalt und Blaseninhalt
Je nachdem wie viel Inhalt in unserem Darm zum Zeitpunkt des Wiegens am Morgen ist, können gut und gerne 500g und mehr Differenz in Form von Gewichtsschwankungen auf der Waage entstehen. Denn auch unsere Darmentleerung läuft nicht wie ein Uhrwerk und natürliche Gewichtsschwankungen müssen jeden Tag einkalkuliert werden. Die Blase sollte bereits am Morgen vor dem Wiegen entleert worden sein, um eine bestmögliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Aber auch hier können natürlich noch ein paar Tröpfchen mehr oder weniger zurückbleiben.
5. Tägliche Gewichtsschwankungen aufgrund von Sport und Bewegung
Intensive körperliche Aktivität kann zu vorübergehenden Wassereinlagerungen in den Muskeln führen, was das Gewicht kurzfristig erhöhen kann. Ebenso kann eine harte, schweißtreibende Einheit am Abend dazu führen, dass der Flüssigkeitshaushalt nicht adäquat aufgefüllt werden konnte und aus diesem Grund das Gewicht schwankt. Das faszinierende ist hier die individuelle Komponente: Während bei vielen Menschen nach einem Trainingstag mehr Gewicht auf der Waage am nächsten Morgen ist, gibt es Menschen bei denen es genau umgekehrt ist (inklusive mir). Interessant ist zudem, dass Sportler generell einen höheren Ruheumsatz von Körperwasser haben und dadurch bedingt größere Speicher, was insgesamt ebenfalls 1-1,5 kg mehr auf der Waage ausmachen kann.[5] Dies würde also relevant werden, schaut man sich seinen Gewichtsunterschied nach ein paar Jahren Differenz an.
6. Wassereinagerungen durch Stress
Erhöhte Stresslevel beeinflussen über vermehrte Wassereinlagerungen das Gewicht. Die Einlagerungen entstehen dadurch, dass Cortisol, unser Stresshormon, ausgeschüttet wird. Dies hat zur Folge, dass die Nieren weniger Wasser als Urin ablassen, denn das Wasser wird lieber im Körper verteilt um die Entzündungsreaktionen, welche durch Cortisol entstehen, zu verdünnen. [3] Wie bei einer Schwellung oder einer anderen Verletzung wie einem Insektenstich möchte der Körper Entzündungen durch vermehrte Wassereinlagerungen verdünnen und somit für das betroffene Gewebe abmildern. Eigentlich eine sehr sinnvolle evolutionäre Entwicklung, leider wird das Cortisol heute vermehrt durch Stress auf oder durch die Arbeit, mit Freunden oder Familie oder andere Umwelteinflüsse ausgelöst. Daher kann kurzfristig in einer stressigen Phase die Waage gerne einmal nach oben springen. Langfristig ist ein ausgeglichener Stresslevel sowieso unerlässlich, will man Abnehmen, Muskeln aufbauen oder möglichst Gesund sein!
7. Durch Schlaf verursachte Gewichtsschwankungen
Unzureichender Schlaf kann Kurz- und langfristig das Gewicht und die Körperzusammensetzung beeinflussen. In einer Studie aus 2010 wurde herausgefunden, dass alle Studienteilnehmer (welche allerdings ausschließlich Männer waren) nach dem Studienzeitraum eine identische Menge an Körpergewicht (3 Kg) verloren hatten. Eine Gruppe wurde jedoch angehalten täglich 8,5 Stunden zu schlafen – hier bildeten je 1,5 kg Fett und 1,5 Kg Muskeln den Gewichtsverlust. Die Zweite Gruppe – hier waren 5,5 Stunden verordnet – verlor nur 0,6 Kg Fett und 2,4 Kg an Muskulatur im Schnitt! [6] Aber auch kurzfristig kann ein schlechterer und/oder verkürzter Schlaf über ein verändertes Hormonprofil (erhöhte Cortisolspiegel) das Gewicht schwanken lassen. Außerdem bleibt der Whoosh Effekt aus oder wird geringer.
Dies waren nun die wichtigsten Faktoren. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese kurzfristigen Gewichtsschwankungen normal sind und nicht unbedingt auf eine tatsächliche Fettzunahme oder Fettabnahme hinweisen. Wenn es um die Bewertung deiner langfristigen Gewichtsveränderungen und -ziele geht, ist es ratsam, nicht nur das Körpergewicht zu messen, sondern weitere Faktoren wie Ernährung und Lebensstil in Betracht zu ziehen.
Wie am Besten das Körpergewicht wiegen?
Grundvoraussetzung für eine objektive und möglichst vergleichbare Messung des Körpergewichtes – denn darum geht es ja, die Veränderung zu messen – ist es, immer den gleichen Zustand zum Zeitpunkt der Abwaage herzustellen. Dies bedeutet, möglichst wenig sowie immer die gleiche Kleidung, dieselbe Waage auf demselben Untergrund, dieselbe Tageszeit und einen identischen Magenfüllstand herzustellen.
— Am besten gelingt dies morgens nüchtern, direkt nach dem aufstehen und dem anschließenden Toilettengang —
Je öfter wir das Gewicht messen, d.h. je mehr Daten wir erheben, desto besser werden wir langfristig die Werte verstehen und interpretieren können. Daher sollte das Gewicht am besten täglich genommen werden. Die beste Vergleichbarkeit erhalten wir, wenn wir ein Durchschnittsgewicht von 7 Tagen (Montag bis Sonntag einer Woche) nehmen und mit den Durchschnittsgewicht der vorigen Wochen vergleichen. So eliminieren wir die meisten der besprochenen Störfaktoren und machen das Körpergewicht am besten vergleichbar. Über Wochen und Monate ergibt sich dadurch ein Trend, den wir ernst nehmen können.
Allerdings messen wir dabei immer noch nur das Körpergewicht, welches sich ja, wie wir nun wissen, nicht nur aus Fett, sondern auch Wasser, Muskeln, Knochen, Organen usw. besteht. Und wir wollen ja vor allem Fett verlieren und ggf. sogar Muskeln aufbauen.
Messen statt Wiegen – Faktoren zum Messen des Fortschrittes
Daher sollten zusätzlich zum Körpergewicht weitere Daten erhoben werden. Dazu zählen
FOTOS
Am besten in Unterwäsche, oder eng anliegender Kleidung. Frontal, von der Seite und hinten. Immer die gleiche entspannte Position, neutraler Haltung.
Dies muss nicht jede Woche gemacht werden, aber im Abstand von 2-4 Wochen ergeben Fotos in demselben Set Up in jedem Fall Sinn. Du siehst dich täglich im Spiegel und die kleinen Step by Step Veränderungen fallen dir oft gar nicht auf,.
Umfänge messen
Am geeignetsten sind der Taillen/ Bauchumfang sowie der Poumfang. Der Taillenumfang wird an der schmalsten Stelle zwischen unterem Brustkorb und Bauchnabel abgenommen. Meist befindet sich die Taille genau in der Mitte dieser beiden Punkte. Der Bauchumfang wird um den Bauchnabel herum gemessen. Der Poumfang sollte an der Stelle genommen werden, die – von der Seite betrachtet – am weitesten von der Körpermitte absteht (d.h. die breiteste Stelle) Eine Zu- oder Abnahme von Körperfett ist maßgeblich über eine Veränderung der Umfänge an diesen Stellen – den bekannten Problemzonen von Mann und Frau – messbar.
Hautfaltenmessung
Auch eine regelmäßige Hautfaltenmessung kann einen guten Überblick geben, wenn sie entsprechend immer mit dem gleichen Vorgehen gemacht wird. Dafür braucht es einen erfahrenen Coach oder Therapeut. Durch diese Messung der Dicke der subkutanen Fettschicht kann der Körperfettanteil sehr gut eingeschätt werden.
Dies sind die wichtigsten Tools wenn es darum geht, den eigenen Fortschritt messbar zu machen. Nun musst du „nur“ noch anfangen, zu tun!
Quellen, Referenzen & weiterführende Literatur:
[1] Mayo Clinic Staff. (2018). Premenstrual syndrome (PMS).
[2] Brennan, I. M., Feltrin, K. L., Nair, N. S., Hausken, T., Little, T. J., Gentilcore, D., Wishart, J. M., Jones, K. L., Horowitz, M., & Feinle-Bisset, C. (2009). Effects of the phases of the menstrual cycle on gastric emptying, glycemia, plasma GLP-1 and insulin, and energy intake in healthy lean women. American Journal of Physiology-Gastrointestinal and Liver Physiology, 297(3), G602–G610. https://doi.org/10.1152/ajpgi.00051.2009
[3] Dotzauer, D. (2019). Automatisch abnehmen: Neustart für Ihre Essgewohnheiten.
[4] Tzur, A. (2021): Keto Flush: Wie Körperwasser & Glykogen den Gewichtsverlust bei einer ketogenen Ernährung beeinflusst. In: Metal Health Rx: Open Access. URL: https://patreon.aesirsports.de/keto-flush-wie-koerperwasser-glykogen-den-gewichtsverlust-bei-einer-ketogenen-ernaehrung-beeinflusst/
[5] Freese, J. (2019, July 1). Saufen wie ein Loch: Richtig Trinken im Sport! – Dr. Freese. Dr. Freese. https://dr-freese.com/2017/07/13/saufen-wie-ein-loch-ueber-das-richtige-trinkverhalten-in-fitness-und-leistungssport-2/
[6] NEDELTCHEVA, A. V., KILKUS, J. M., IMPERIAL, J., SCHOELLER, D. A. & PENEV, P. D. 2010. Insufficient sleep undermines dietary efforts to reduce adiposity. Ann Intern Med, 153, 435-41.